Gesellschaft ohne Ehrenamt (un)möglich?
„Wieso soll ich das unbezahlt machen? Das bringt ja sowieso niemanden was! Ich habe keine Zeit dafür! Ich passe da nicht dazu! Ich brauche das nicht! Reine Zeitverschwendung?
Hast du dir schon einmal vorgestellt, was wohl wäre, wenn es in unserer Gesellschaft kein Ehrenamt geben würde? Wie würde diese Gesellschaft wohl aussehen? In Österreich betätigen sich 46 % der Personen über 15 Jahre in irgendeiner Form an freiwilliger und unentgeltlicher Arbeit – eben Ehrenamt (www.freiwilligenweb.at). Das ist im Vergleich zu anderen europäischen Staaten ein sehr hoher Schnitt. Ich habe mir schon öfters die Frage gestellt, welchen Sinn das Ehrenamt eigentlich mit sich bringt. Ist es Anerkennung, eine Freizeitbeschäftigung, Mut oder das gute Gefühl, einer Gruppe zugehörig zu sein? Auf jeden Fall. Doch genügt das alleine, um dafür fast rund um die Uhr einsatzbereit zu sein? Oftmals auch tagelang ohne Schlaf? Unabhängig davon, ob es sich um einen Freiwilligendienst oder einen traditionellen Verein handelt?
Auch wenn Österreich einen herausragenden Schnitt an ehrenamtlicher Betätigung genießen darf, ist dennoch ein Trend erkennbar, indem „keine Zeit“ für freiwillige Tätigkeiten übrig bleibt. Dies ist keinem zu verübeln, würde doch der Großteil der Menschen mindestens einen 26-Stunden-Tag benötigen. Wir befinden uns in einer sehr schnelllebigen Zeit, die Jahreszeiten ziehen an einem fast „unspürbar“ vorbei und ehe man sich versieht, begrüßt man mit vielen euphorischen Vorsätzen das nächste Jahr. Da ist es wohl kaum zu bekritteln, dass wir uns in unserer wenigen freien Zeit keine weitere Arbeit aufhalsen wollen.
Wie bei so vielen Dingen hat auch das Ehrenamt ein zweiseitiges Spiegelbild. Auf der einen Seite die vielen freiwilligen unentgeltlich Arbeitsstunden. Andererseits der Mehrwert für das eigene Ich. Würde man sich eine Gesellschaft ohne Ehrenamt vorstellen, gebe es keine Träger von Traditionen und Geschichten, keinerlei Möglichkeit, gemeinsame Interessen zu teilen, ohne Druck eigene Potentiale zu entdecken und diese zu fördern. Macht Ehrenamt nicht einfach unseren stressreichen und intensiven Alltag lebenswerter? Ist es nicht eine sinnvolle Freizeitgestaltung, bei der man viel über sich selbst und seine Mitmenschen lernt? Ist es nicht ein guter Ausgleich zu unserer leistungsorientierten Arbeitswelt?
Die Meinungen mögen dabei auseinander gehen, dennoch bin ich mir sicher, dass es zu den Quintessenzen eines glücklichen Alltags gehört. Egal, ob im sozialen Freiwilligendienst oder im Vereinswesen ist es doch schön mitanzusehen, wenn man jemanden ein Lächeln ins Gesicht zaubern oder spürbar in der Gesellschaft etwas bewirken kann. Sei es Nachbarschaftshilfe, eine in Not geratene Person in der Gemeindebevölkerung oder einfach nur zum Kontakteknüpfen und Schaffen gemeinsamer Erinnerungen. Ehrenamt ist für mich Zusammenhalt: an einem Strang zu ziehen und füreinander da zu sein. Eine Gesellschaft ohne Ehrenamt – für mich – undenkbar!
Michaela Gassner
Landjugendreferentin